12. Nov 2024
Die Herz-Jesu-Wallfahrt nach Hall vom 23.-25- August 2024 war erneut ein bewegendes Glaubensfest, das zahlreiche Pilger in der Herz-Jesu-Basilika vereinte. Sie finden in diesem Artikel Predigt und Geistliche Konferenz im Wortlaut zum Nachlesen.
Liebe Pilger, diese schöne Herz-Jesu-Basilika, in der wir versammelt sind, ist wirklich ein Haus des Gebets, ein Ort der ständigen Anbetung des Allerheiligsten und der Herz-Jesu-Verehrung. Die Ordensfrauen, die „Töchter des Herzens Jesu“, beten hier unaufhörlich und stellvertretend den Heiland an. Die erhabene Darstellung Jesu Christi mit ausgestreckten Händen lässt uns seine Einladung vernehmen: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen“ (Mt 11,28-30).
Es gibt zwei Hauptformen der Herz-Jesu-Verehrung: die Weihe an das allerheilste Herz des Erlösers und die Genugtuung. Christus selber „weiht sich“ d. h. „opfert sich“ dem Vater, damit auch wir in der Wahrheit geheiligt werden. Christus hat uns durch sein Blut am Kreuz reingewaschen und geheiligt. Aber auch wir müssen die Sühne tun und die Genugtuung leisten für die eignen Sünden und für die Verfehlungen der Mitmenschen. Wie oft wird Herr Gott verhöhnt und beleidigt! „Gotteslästerung widerspricht der Ehrfurcht, die man Gott und seinen heiligen Namen schuldet. Gotteslästerung ist in sich eine schwere Sünde“ (KKK 2148).
Ein gläubiger Mensch muss sich fragen: „Wie gehe ich mit dem heiligen Namen Gottes um? Stehe ich in Ehrfurcht vor dem Geheimnis des brennenden Dornbuschs, vor den unbegreiflichen Weise seiner Nähe bis zur Gegenwart in der Eucharistie, in der er sich wirklich ganz in unsere Hände gibt? Sorge ich mich darum, dass das heilige Mitsein Gottes mit uns nicht ihn herabzieht in den Schmutz, sondern uns hinaufzieht in seine Reinheit und Heiligkeit?“ (Kardinal Joseph Ratzinger).
Die erste Lesung schildert uns die Liebe Gottes zu seinem »Sohn« Israel. Gott will uns mit den Ketten der Liebe zu sich ziehen und an sich binden. Es ist die Liebe, die sich in jeder Art von Zärtlichkeit äußert. Wie die Eltern das kleine Kind an ihre Wangen heben, es auf die Arme nehmen, ihm zu essen geben, wie sie später dem Kind die ersten Schritte beibringen, so hat Gott sich mit seinem erwählten Sohn abgegeben. Aber wie oft Eltern dafür keine Dankbarkeit ernten, so wird auch Gott von seinem Kind nur Undank erfahren. Er hat dieses „mit menschlichen Fesseln an sich gezogen, mit Ketten der Liebe“, aber gerade diese Fesseln und Ketten reizen den Sohn, sich loszuwinden und selbstständig zu machen: nicht von menschlichen Eltern, sondern von Gott, von der Liebe überhaupt. Und nun: was wird Gott dabei erfahren? Er, der das Kind in „Ketten der Liebe“ schlagen wollte, findet sich selbst von Ketten gefesselt, weil er nicht nur Liebe hat, sondern die Liebe ist. Wie oft hat Israel den Bund gebrochen! Gott leidet unter den falschen Liebschaften Israels. Und dann kommt die Wende: »Mein Herz kehrt sich um in mir, mein Erbarmen flammt; ich will meinen glühenden Zorn nicht vollstrecken, Ephraim nicht mehr verlassen. Denn Gott bin ich und nicht ein Mensch, inmitten deiner der Heilige« (11,8–9). Was hier aufflammt als Liebe jenseits des Zorns und sich auf die Göttlichkeit Gottes, auf seine Absolutheit bezieht: das ist die Herrlichkeit Gottes in einer neuen, unfasslichen Tiefe offenbart. Ein Unternehmen Gottes ist hier begonnen, das vor Golgotha nicht mehr zur Ruhe kommen wird! Die Durchbohrung der Seite Jesu ist der letzte Beweis für die unendliche Liebe Gottes. Das geöffnete Herz Jesu ist das Letzte, was Gott von sich hergeben kann. Die Wunde bleibt ewig offen, noch am Ende der Welt werden „sie auf den blicken, den sie durchbohrt haben.“
Liebe Brüder und Schwestern, auch wir wollen auf den Durchborten schauen und aus den Quellen des Heils freudig das lebensspendende Wasser schöpfen. Auf unserem Pilgerweg des Glaubens unterstützten uns viele vorbildliche Christen, die Heiligen. – Heute möchte ich Ihnen die Dienerin Gottes Magdalena Gornik, eine slowenische Mystikerin (1835–1896) kurz vorstellen. Sie lebte im 19. Jahrhundert. Sie selber hat vorausgesagt, sie werde nach sechs Generationen wiederkommen und Wunder wirken. Vor zwei Jahren wurde der diözesane Seligsprechungsprozess offiziell eröffnet.
Magdalena Gornik erblickte das Licht der Welt in Slowenien am 19. Juli 1835. Sie starb am 23. Februar 1896. In ihrem Leben sind viele mystischen Phänomene urkundlich nachgewiesen: die Ekstasen, die Visionen, die Stigmata, der Schwebezustand und andere Charismen. Sie empfing die mystische Kommunion und lebte 47 Jahre ohne jegliche irdische Speise. - Zuerst ein Wort zu den mystischen Phänomenen und dann zu ihrer Botschaft für uns.
Die Ekstase, die Verzückung war das häufigste mystische Phänomen im Leben der Dulderin. - Die Visionen. Magdalena hatte die Visionen bis zum Tod. Sie schaute und redete mit Mutter Gottes, mit dem Heiland, mit den Engeln und einigen Heiligen. Die häufigste Schauung in ihrem Leben war die Passion Jesu. Einen Teil seines Leidens durfte auch sie miterleben, miterfahren. Ihre Visionen verband sie mit lauten Ermahnungen der Anwesenden zu Bekehrung und Buße. Ihre Prophezeiungen erfüllten sich buchstäblich.
Die Stigmen. Das Außergewöhnliche, das Magdalena zur Erfüllung ihrer Mission zu ertragen hatte, waren die Stigmen, „die Wunden“. Sie erhielt die Wundmale als Dreizehnjährige und trug sie teils bis zum Ende ihres Lebens. Das waren sehr schmerzende und blutende Wunden an Händen, Füßen, an der Seite, am Kopf (Wunden der Dornenkrone), an der Schulter (vom Tragen des Kreuzes), am Körper (Geißelung). In der Karwoche öffneten sich alle Stigmen auf ihrem Leib.
Liebe Brüder und Schwestern! Was will uns der Himmel durch die Stimme dieser einfachen, begnadeten Frau sagen? Ihre Botschaft erinnert uns an die ernsten Wahrheiten des Evangeliums, denn das Christentum ist kein versüßtes Wasser. Die grundlegende Antwort darauf zielt auf die ständige Umkehr, die Buße, das Gebet und die drei göttlichen Tugenden: Glaube, Hoffnung und Liebe.
Die mystischen Phänomene als solche sind nicht wichtig, sondern die Vermittlung der Botschaft. Aus der reichen Fülle der mystischen Gaben, die Magdalena geschenkt wurden, um uns im Glauben zu festigen und zu Gott zu führen, kann man folgende vier Aspekte hervorheben:
Erstens „Maria als Mittlerin aller Gnaden.“ Die Muttergottes war stets im Leben Magdalenas präsent. Sie machte schon bei der ersten Erscheinung das elfjährige Mädchen mit dem leidenden Christus bekannt und lud sie ein, mit ihm die Leiden auf sich zu nehmen, als Sühne für die Sünden, mit denen die Menschen Gott beleidigen.
Als zweiter Aspekt steht die Eucharistie, die für Magdalena die „Sonne ihres Lebens“ war. Magdalena verehrte Jesus gerne im Allerheiligsten Sakrament und teilte als seine Braut mit ihm auch sein Leiden.
Als dritten Punkt nennt man das stellvertretende Leiden, das bei Magdalena Gornik zutiefst mit der marianischen Frömmigkeit und der eucharistischen Verehrung verbunden war.
Zuletzt kommt der Aufruf zur Umkehr, der ein wichtiger Aspekt des Evangeliums ist. Denn die wesentliche Botschaft, die Gott durch Magdalena Gornik den Menschen geben wollte, besteht in der Sorge um das ewige Heil. Magdalena ermutigte die Leute zu einer verantwortlichen Lebensführung. Sie sprach vom Himmel, aber ebenso von der Hölle, von Tod, Fegefeuer und Gericht. Magdalena betonte oft: »Für den Himmel muss man leiden«.
In diesem Sinne sagte Papst Benedikt XVI. »Die sogenannten letzten Dinge sind ein hartes Brot für die Menschen von heute. Sie erscheinen ihnen irreal. Sie möchten stattdessen konkrete Antworten für jetzt, für die Drangsale des Alltags. Aber diese Antworten bleiben halb, wenn sie nicht auch verspüren und erkennen lassen, dass sie über dieses materielle Leben hinausreichen, dass es das Gericht gibt, und dass es die Gnade gibt und die Ewigkeit... Wenn die Kirche nicht das ewige Leben verkündet, ist sie nur ein Klumpen Erde, sie ist unnütz.«
Liebe Pilger! Möge
die frische und starke Botschaft
Magdalenas wie ein Abbild der himmlischen Schönheit sein. Möge der Herr, der
sanftmütig und von Herzen demütig ist, sein heiliges Antlitz auch in unsere
Seele einprägen. Amen.
| Hos 11,1.3-4.8a.c.-9; Eph 3,8-12.14-19; Joh 19,31-37
Vorbemerkung
Als Jesus vor Pilatus stand, sprach Er: „Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme. Pilatus sagte zu ihm: Was ist Wahrheit?“ Joh18,37f. („Skepsis“)
Der Sieg des Relativismus:
Es gibt keine Wahrheit. Es gibt nur Meinungen. Diese ändern sich von Zeit zu Zeit, von Ort zu Ort. Über Meinungen kann und darf man abstimmen. Nicht aber über Wahrheit und Richtigkeit menschlichen Verhaltens. „Du sollst …“ Das Gebot Gottes aber bleibt!
Die Folge:
Der Mensch ist aufgerufen, diesem „Du sollst“ in Freiheit zuzustimmen, also „die Wahrheit zu tun…“ (Joh 3,21). So lesen wir es im Ps 119,160: „Das Wesen deines Wortes ist Wahrheit; deine gerechten Urteile haben alle Bestand!“
Diese Wahrheit hat Gott geoffenbart und zwar bei der Erschaffung des Menschen. Sinn und Ziel menschlichen Lebens wird nicht „gemacht“, sondern vorgefunden. Der Entdecker der Lebenswahrheit hat wirklich das „Licht im Dunkel“ entdeckt. Die uralten und von so vielen als schmerzlich empfundenen Fragen des Menschen wie: Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was ist der Sinn meines Lebens? verlangen gebieterisch nach Beantwortung. Diese wird aber nur denen zuteil, die gelernt haben vor Gott niederzuknien. „Kniende Theologie“
Solange der Mensch aber die Anerkennung Gottes verweigert, und sich mit „Meinungen“ zufriedengibt, solange gibt es in der menschlichen Gesellschaft, aber auch in der Kirche keine Diskussion mehr und kein Nachdenken mehr über den Gehorsam, über den Segen des Gehorsam, bzw. über die Sünde des Ungehorsams. Über Grenzen und Unverzichtbarkeit herrschen Willkür und Beliebigkeit, auch in den Ordensgemeinschaften. Wer im Dunklen tappt, kann nicht sagen, wohin die Reise geht. Die beständige Rede über Toleranz wirkt wie ein neues „Opium für das Volk…“
Der Wunsch nach einem sicheren Boden unter den Füßen ist legitim und kann nur bei Jesus Christus selbst Erfüllung finden. Er ist das Licht der Welt; die Antwort auf alle Fragen; Er ist das Alles! Er selber gibt uns das orientierende Beispiel, und bei ihm zu lernen ist mehr als eine Verlegenheitslösung. „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6)
So kehrt auch unser Bitten und Nachdenken zum Herrn zurück. „Ihn sollt ihr hören“, sagt uns der Vater am Berg Tabor mit Donnerstimme (Mk 9,7) und Maria, die Mutter der Kirche, lehrt es uns mit Eindringlichkeit: „Was immer er auch sagt, das tut!“ (Joh 2,6).
Im Besonderen lohnt es sich, zur Herz-Jesu-Litanei zurückzukehren und bei der Anrufung zu verweilen:
„Herz-Jesu, bis zum Tode gehorsam …“
I.
„Er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich“. (Das Vokabel von der „Entäußerung“ ist aus der Alltagssprache verschwunden. In der Schrift aber ist es beibehalten und meint ein Tun des Menschen, der auch anderes, Gegenteiliges etwa tun könnte).
„Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,7-8).
Die Entäußerung Jesu nimmt ihren Anfang mit einem Gehorsamswort: „Siehe, o Gott, ich komme, um deinen Willen, o Gott, zu tun!“ (Hebr 10,7f; vgl. Ps 40,7-9): „Deinen Willen zu tun, mein Gott, macht mir Freude, deine Weisung trage ich im Herzen …“).
Vom ersten Augenblick der Menschwerdung des Ewigen Wortes an unterwirft sich der Sohn den Gesetzen eines neunmonatigen Werdegangs, dem sich jeder Mensch im Schoß einer Frau und Mutter unterwerfen muss, - „obwohl er der Herr ist über alles“ (vgl. Gal 4,4). Denn durch ihn und auf ihn hin ist alles geschaffen. – Er ist vor aller Schöpfung; „in ihm hat alles Bestand“ (Kol 1,17). Wo finden wir größere Schwere, größere Majestät als in diesen Worten des Kolosserbriefes?
II.
Nun aber ist im Besonderen die Zeit unser Thema, die der Herr von der Empfängnis an unter dem Herzen Mariens und nach der Geburt als Kind zugebracht hat und die wir in der Regel als die „verborgenen Jahre“ bezeichnen. Sie sind uns schwer zugänglich, weil nicht allzu viele Nachrichten darüber in den Evangelien zu finden sind und uns die Schlüssel zum betrachtenden und kontemplativen Beten nicht in Selbstverständlichkeit zur Verfügung stehen.
Die langen Jahre dieses verborgenen Lebens Jesu im Leib Mariens, dann in Nazareth, dann auch in Ägypten, sind geprägt von gänzlicher Unscheinbarkeit: „Er war ihnen untertan“ (Lk 2,51). Immer und überall ist er der selbstlos untergeordnete Sohn des himmlischen Vaters und seiner Eltern in Nazareth. „Mit dem Gehorsam steht und fällt die Welt“, sagte einst Bischof Rudolf Graber (1903-1992), der uns auch an ein Wort Pascals erinnert: Christi Gehorsam dauert fort - „bis ans Ende der Welt“ (S. 163)
Nach der Fußwaschung erklärt der Herr: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben!“ (Joh 13,15). Ein Beispiel, das uns bindet …Auch später hat der Herr seine scheinbare Untätigkeit nicht bereut, nie gesagt, dass er Gutes unterlassen hätte.
„Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt“ (Hebr 5,8). Den Gehorsam „erlernen“ war auch für den Heranwachsenden mühsam, und Maria als Erzieherin wuchs mit ihm in dem, was alle Mütter erlernen, in der Geduld, wie Jesus in seinem menschlichen Herzen immer neu sein eigenes „Ja, Vater!“ bekräftigte.
Warum ist Gott ein Kind geworden? Er ist in allem uns gleich geworden, ohne die „wortlose“ Phase gänzlicher Verborgenheit zu überspringen; er, das Ewige Wort, begann sein menschliches Dasein im Erlernen der ersten Wortelemente, im Dialog mit Maria und Josef.[1]
Der Hebräerbrief macht dann an anderer Stelle darauf aufmerksam, dass Jesus in allem uns gleichgeworden ist, die Sünde ausgenommen, und dass er in der Schule seines Vaters „gezüchtigt“ wurde: „Denn der Herr züchtigt jeden Sohn, den er gernhat“ (Hebr 12,6). Deshalb heißt es auch, der menschgewordene Sohn Gottes habe mit lautem Schreien und unter Tränen Gebete und Bitten vor den gebracht, der ihn aus dem Tode retten konnte (Hebr 5,7). Das Ölbergleiden gleicht dem Erlernen all derer, die auf eigene Einsicht und eigenes Verstehen (zunächst) verzichten müssen, wobei aber der Wille zur Zustimmung nicht ernsthaft in Gefahr gerät (Mk 14,35).
Das „Ich muss“, das dann auch das öffentliche Wirken und Verkündigen bestimmt, bleibt unangefochten (vgl. Lk 4,43). Denn was der Vater will, das will auch der Sohn. Immer tut der Sohn das, was dem Vater wohlgefällt (vgl. Joh 8,29). „Nicht wie ich will, sondern wie Du willst!“ (vgl. Mk 14,36)
Die Meister des christlichen Lebens heben nun hervor, dass niemand sich dem Beispiel Jesu entziehen kann: Der Jünger muss das gehorsame Leben Jesu mitleben. Es war ein hartes Leben, in dem der Eigenwille des Schülers jede Legitimität verliert. „Nicht mehr ich lebe, Jesus Christus lebt in mir“ (Gal 2,20).
„In mir“: Das will sagen, dass das Miteinander des Herrn und seines Jüngers nicht irgendein „Nebeneinander“ darstellt: Er in mir und ich in ihm! Dieses Ineinander reflektiert die Einheit des Sohnes mit dem Vater im Himmel. Wie der Vater und der Sohn einander in Ewigkeit durchdringen, so teilt der Sohn alles, was er ist, dem mit, in dessen Herzen er Wohnung genommen hat. „Freunde haben alles gemeinsam“, sagten die Alten, und Jesus lebt allezeit, um für uns einzutreten – auch wenn diese Tatsache nicht immer gefühlt werden kann. „Alles, was Christus gelebt hat, lässt er uns in ihm leben, und er lebt in uns“ (KKK n. 521). Wir sollen mit ihm eines Wesens werden … So bezeugt es der hl. Paulus mit den Worten: „Alle, die er im Voraus erkannt hat, hat er auch im Voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben …“ (Röm 8,29).
In der Frühphase dieses Lebens mit und in Christus ist nicht das Fühlbare das erste Kennzeichen für Tatsächlichkeit. Wenn aber der Sohn Gottes bekennt, in der Zeit der voranschreitenden Entwicklung mit den Gliedern der Kirche „dieses Mahl mit euch zu essen“ (vgl. Lk 22,15), sei ihm Sehnsucht und besondere Freude so muss er auch das Kreuzigende der Geduld an sich selbst erfahren: „Ich habe mich sehr danach gesehnt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen.“
In diesem Sinn äußerte sich die hl. Mechthild von Magdeburg (+ 1282 in Helfta) wie folgt: „Herr, Du bist allzeit liebeskrank nach mir!“ (Das Fließende Licht der Gottheit III,2); und zur hl. Gertrud (+1301 Helfta) sagt der Herr: „Wisse, dass ich aus ganzem Herzen nach dir verlange!“ (Leg. III,17).
Von den Schmerzen, die mit geduldigem Warten so oft verbunden sind, weiß aber auch der in Nazareth heranwachsende Menschensohn aus Erfahrung. Die Pubertät ist auch für ihn schwierig und „anstrengend“. „Er wurde Mensch, in allem uns gleich, außer der Sünde“ (IV. Hochgebet der hl. Messe).
Der hl. Paulus beschreibt seine eigene Kindheit mit den Worten: „Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind. Als ich ein Mann wurde, legte ich ab, was Kind war an mir…“ (1 Kor 13,11). Das bedeutet für uns nichts Anstößiges, und wir lieben es, wie der hl. Josef es getan hat, das Kind Jesus in unsere Arme zu schließen.
Die darauffolgenden Lebensjahre, die man gemeinhin als Pubertät bezeichnet und die für alle Beteiligten als mehr oder minder schwierig gelten, haben in der christologischen Literatur noch wenig Beachtung gefunden. Doch auch hier wird man sagen müssen: Er ist in allem uns gleich geworden, die Sünde ausgenommen. Ist sündenlose Pubertätszeit überhaupt denkbar? Die Bewertung der neu auftretenden „Trotzzeit“, einer längeren Phase von Verschlossenheit, einer Zeit der Verfestigung einer neuen Wertskala und des Werdens und Reifens einer geordneten Planung der Lebenszeit als Erwachsener – sind hier Aussagen über die entsprechenden Jahre Jesu Christi überhaupt möglich, da ja die Evangelien keinerlei Aussagen darüber finden lassen?
Man hört bisweilen von der Reifezeit, die der Most der letzten Traubenernte in den Kellern nötig habe. Da heißt es Geduld haben, bis man den „Heurigen“ verkosten darf… Das Schweigen der Wortoffenbarung hindert aber nicht, nach dem Sinn der Schöpferabsichten Gottes zu fragen. Es könnte ja sein, dass das Dunkel in diesem Reifeprozess nicht den Folgen der Erbsünde anzulasten ist, sondern einfach als Phänomen des natürlichen Wachstums anzusehen wäre. Sünde braucht Freiwilligkeit und in diesem Fall das reuige Bekenntnis und die Vergebung im Bußsakrament. Güte, Milde und der Wille zu verstehen werden mehr Hilfe bringen als Drohung und Anklage. Und ebenso das Wissen, dass der Herr selber diese schwierige Zeit in seiner Entäußerung nicht überspringen wollte.
[1] Ferdinand Holböck, Das Mysterium der Kindheit Jesu, in: Leo Scheffczyk (Hrsg.), Das Mysterium des Lebens Jesu und die christliche Existenz, Aschaffenburg 1984, 86-94